Programm
Literaturtage Nordschwarzwald 2023

Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist kostenfrei.
Aus organisatorischen Gründen möchten wir Sie um telefonische oder schriftliche Voranmeldung bitten.

Lesung mit Edgar Selge „Hast du uns endlich gefunden“
Einführung und Moderation von Signe Sellke

Kundencenter Kreissparkasse Freudenstadt
Stuttgarter Straße 31

72250 Freudenstadt
Edgar Selge. Foto: Muriel Liebmann Edgar Selge. Foto: Muriel Liebmann
Edgar Selge. Foto: Muriel Liebmann
Edgar Selge.
Foto: Muriel Liebmann

„Jetzt sitze ich hier und schreibe das auf. Hoffentlich verschwinde ich nicht zwischen den Sätzen. Je genauer ich bin, umso fremder werde ich mir.“
— Edgar Selge

Edgar Selge gehört zu den bedeutendsten Charakterdarstellern Deutschlands. 1948 geboren, wuchs er im ostwestfälischen Herford als Sohn eines Gefängnisdirektors auf. Seine Schauspielausbildung schloss er 1975 an der Otto-Falckenberg-Schule in München ab. Zuvor studierte er Philosophie und Germanistik in München und Dublin sowie klassisches Klavier in Wien. Für seine Arbeit wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Edgar Selge lebt mit der Schauspielerin Franziska Walser zusammen. „Hast du uns endlich gefunden“ ist sein literarisches Debüt.

Eine Kindheit um 1960, in einer Stadt, nicht groß, nicht klein. Ein bürgerlicher Haushalt, in dem viel Musik gemacht wird. Der Vater ist Gefängnisdirektor. Der Krieg ist noch nicht lange her, und die Eltern versuchen, durch Hingabe an klassische Musik und Literatur nachzuholen, was sie ihre verlorenen Jahre nennen. Dieser Junge, den der Autor als fernen Bruder seiner selbst betrachtet, erzählt uns sein Leben und entdeckt dabei den eigenen Blick auf die Welt. Wenn sich der dreiundsiebzigjährige Edgar Selge gelegentlich selbst einschaltet, wird klar: Die Schatten der Kriegsgeneration reichen bis in die Gegenwart hinein.

Edgar Selges Erzählton ist atemlos, körperlich, risikoreich. Voller Witz und Musikalität. Ob Bach oder Beethoven, Schubert oder Dvořák, Marschmusik oder Gospel: Wie eine zweite Erzählung legt sich die Musik über die Geschichte und begleitet den unbeirrbaren Drang nach Freiheit.
Für seinen Debütroman „Hast du uns endlich gefunden“, mit dem er lange Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste stand, wird Edgar Selge mit dem Literaturpreis Fulda 2022 für das literarisch bedeutendste Romandebüt ausgezeichnet.

„Edgar Selges literarisches Debüt ist das scharf gestellte Porträt der deutschen Nachkriegszeit, gesehen mit den Augen eines Heranwachsenden. Erfahrungen familiärer Gewalt, Versuche, nationalsozialistische Prägung abzustreifen, und die Sehnsucht nach einem kultivierten Leben verbindet Edgar Selge in einem verblüffenden Tonfall mit der berührenden Erzählung von tragischen Verlusten. ,Hast du uns endlich gefunden‘ ist ein Buch voller Erkenntnisse, getragen von Lebenserfahrung und der Bereitschaft des gereiften Erzählers, sich mit den Traumata seines Aufwachsens zu versöhnen.“
— Jury Literaturpreis Fulda

Signe Sellke. Foto: Kirsten Bohlig
Moderatorin Signe Sellke
Foto: Kirsten Bohlig

Signe Sellke, in Plaue an der Havel geboren, arbeitete im Schul- und Hochschuldienst. Sie ist Mitautorin von Sprach- und Lesebüchern und Herausgeberin von Lyrikanthologien für Kinder. 17 Jahre lang war sie Vorsitzende des Friedrich-Boedecker-Kreises in Baden-Württemberg. Als Organisatorin und Moderatorin ist sie bei verschiedenen Literaturtagen (Schwäbisch Gmünd, Schwend) aktiv. Zuletzt publizierte Signe Sellke den Gedichtband „Das eigensinnige Summen des Lichts“. Sie erhielt den Literaturpreis der Stadt Schwäbisch Gmünd.

Anmeldung
per E-Mail oder telefonisch unter 07441 920 1444.

Samstag, 2.9.2023, 19:30 Uhr Franziska Walser liest aus Werken von
Maria Beig

Schutzhütte „Oberer Wald“
72290 Loßburg-Schömberg
Maria Beig. Foto: Peter Blickle
Maria Beig.
Foto: Peter Blickle

„[…] Schuld war die Zeit. Neben der Freude über die Schönheit dieses Fleckchens Erde soll auch Trauer erlaubt sein. Trauer darüber, daß Heimat auch weh tun kann.“
— Maria Beig

Maria Beig wurde 1920 in eine kinderreiche oberschwäbische Bauernfamilie hineingeboren. Nach der Ausbildung zur Hauswirtschaftslehrerin war sie im Schuldienst tätig. Sie heiratete und zog nach Friedrichshafen. Nach ihrer vorzeitigen Pensionierung veröffentlichte sie mit überaus großem Erfolg ihre ersten Romane „Rabenkrächzen“ und „Hochzeitslose“, denen zahlreiche weitere folgten. Die Gesamtausgabe ihres Werks umfasst fünf Bände. Dafür erhielt sie den Alemannischen Literaturpreis, die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg, den Literaturpreis der Stadt Stuttgart sowie den Johann-Peter-Hebel-Preis. Sie starb 2018.

Maria Beig ist zur Chronistin einer Lebenswelt geworden, die vor unseren Augen untergegangen ist. Sie lässt Frauen vom Land zu Wort kommen, die es im Leben immer schwer hatten - mit den Männern, mit der Liebe, mit dem Leben. Es gibt nichts, was Maria Beig ausgelassen hätte, weder Glück noch Unglück. Immer wieder spielt das Schicksal, spielen zwei Weltkriege und traditionelle Geschlechterrollen diesen Frauen übel mit. Und trotzdem ist ihr Werk, sind diese gesammelten fünf Bände keine Anklage, kein Vorwurf. Randvoll mit Lebensgeschichten lehren sie uns das Wunder und die Weisheit des Alters. Vom Anfang bis zum Ende finden wir in jeder Zeile den unverwechselbaren Maria-Beig-Ton, der uns mitnimmt in eine Welt, die uns allen noch bekannt vorkommt. Doch erst durch Maria Beig lernen wir sie richtig kennen - und so kommen wir uns im Lesen selbst näher.

Franziska Walser. Foto: Janine Guldener
Franziska Walser.
Foto: Janine Guldener

Franziska Walser ist die älteste von vier Töchtern und am Bodensee aufgewachsen. Ihr Vater ist der Schriftsteller Martin Walser. Nach dem Abitur absolvierte sie von 1972 bis 1975 eine Schauspielausbildung in München. Hier lernte sie Edgar Selge kennen, mit dem sie seit 1985 verheiratet ist und einen Sohn sowie eine Tochter hat.

Ihr Schauspieldebüt gab Franziska Walser 1974 am Staatstheater Stuttgart. Nach einem kurzen Zwischenspiel am Hamburger Schauspielhaus gehörte sie von 1976 bis 2001 zum Ensemble der Münchner Kammerspiele. Seit 2002 arbeitet sie frei. Nach diversen Gastspielen, u. a. in Berlin und Köln, war sie ab 2005 festes Ensemblemitglied des Schauspielhauses Zürich. In der Spielzeit 2013/14 spielte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Edgar Selge im Ensemble des Staatsschauspiels Stuttgart. Neben ihren vielen Theaterengagements und Filmrollen gibt Franziska Walser auch Lesungen.

Anfahrt
Im Kreisverkehr in Schömberg zweite Ausfahrt nehmen in die Blumenhofstraße. An der Abzweigung links halten.
Anmeldung
per E-Mail oder telefonisch unter 07441 920 1444.

Sonntag, 3.9.2023, 11:15 Uhr Lesung mit Wolfram Lotz „Heilige Schrift 1“
Einführung und Moderation von Annette Maria Rieger

Kulturpark Glashütte Buhlbach
Schliffkopfstraße 42

72270 Baiersbronn-Buhlbach
Wolfram Lotz. Foto: privat
Wolfram Lotz.
Foto: privat

„Das Erzählen ist nichts Abbildendes, sondern etwas Gestaltendes.“
„… die Gegenwart überhaupt erst erzeugen, immer wieder…“
— Wolfram Lotz

Wolfram Lotz, geboren 1981 in Hamburg, wuchs in Bad Rippoldsau im Schwarzwald auf. Er studierte Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaft in Konstanz sowie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2011 gewann er mit „Der große Marsch“ u. a. den Kleist-Förderpreis und den Publikumspreis des Berliner Stückemarktes. In der Kritikerumfrage von Theater heute wurde er zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Nach dem Erfolg von „Einige Nachrichten an das All“ erhielt er 2012 den Dramatikerpreis des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft und 2013 den Kasseler Förderpreis für Komische Literatur. Sein Theaterstück „Die lächerliche Finsternis“ wurde 2015 auf dem Berliner Theatertreffen und auf den Mülheimer Theatertagen aufgeführt. Im selben Jahr erhielt Wolfram Lotz den Nestroypreis für das beste Stück und wurde in der Kritikerumfrage von Theater heute zum Dramatiker des Jahres gewählt.

„Und plötzlich dachte ich: Es wäre einmal tatsächlich über ALLES zu schreiben, genau an diesem Ort, an dem für mich erstmal so wenig ist.“ Das Dorf, das Flimmern des Internets, die Nachbarskatze, die kleinen Bewegungen, Donald Trump und die Schönheit, Miley Cyrus und Peter Handke, die spielenden Kinder, das Nachdenken über Theater und Literatur, der Himmel über dem Weinberg und das Überleben zwischen den alltäglichen Dingen, schreibend, Tag für Tag — die Heilige Schrift handelt von dem radikalen Versuch, das Leben möglichst vollständig und unmittelbar zu erfassen, mit allen literarischen Mitteln. In einem kleinen Dorf in Frankreich schreibt Wolfram Lotz ein Jahr lang mit, jeden Tag, von morgens bis nachts. Knapp 3000 Seiten. Kurz danach löscht er den entstandenen Riesentext wieder. Dennoch liegen nun über 900 Seiten vor, weil er im Frühjahr 2018, noch während der Arbeit, den Anfang des Textes per Mail an einen Freund geschickt hatte.

Annette Maria Rieger. Foto: Ulrike Klumpp
Annette Maria Rieger, Moderatorin der Veranstaltung
Foto: Ulrike Klumpp

Annette Maria Rieger, 1971 in Tübingen geboren, lebt in Waldachtal. Sie ist Journalistin, Kulturvermittlerin und Autorin. Zuletzt ist von ihr "Der Walder vom Schwarzwald. Erinnerungen an den rebellischen Förster Walter Trefz" erschienen. Annette Maria Rieger hat mehr als ein Jahrzehnt die Autorinnen und Autoren des Tübinger Verlags Klöpfer & Meyer als Pressefrau betreut und ist als solche mittlerweile für den 8 Grad Verlag in Freiburg und den Kröner Verlag in Stuttgart tätig.

Anfahrt zur Glashütte Buhlbach
In Obertal am Hotel Adler Richtung Buhlbach abbiegen.
Nach 800 Metern rechts abbiegen und
der Schliffkopfstraße bis zur Glashütte folgen.
Anmeldung
per E-Mail oder telefonisch unter 07441 920 1444.

Mittwoch, 6.9.2023, 19:30 Uhr Lesung mit Jan Wagner

Morlokhof
Weg zum Weissenbach 11

72270 Baiersbronn-Mitteltal
Jan Wagner. Foto: Nadine Kunath
Jan Wagner.
Foto: Nadine Kunath

„Wer ansetzt, ein Gedicht über das Thema Freiheit zu schreiben, mag scheitern. Wer sich ganz auf einen fallen gelassenen weißen Handschuh im Rinnstein konzentriert, wird vielleicht ein großartiges Gedicht über die Freiheit zustande bringen.“
— Jan Wagner

Jan Wagner, 1971 in Hamburg geboren, lebt in Berlin. Er ist Lyriker, Übersetzer englischsprachiger Lyrik (u. a. von Charles Simic, James Tate, Simon Armitage, Matthew Sweeney, Jo Shapcott und Robin Robertson) sowie Essayist und war bis 2003 Mitherausgeber der internationalen Literaturschachtel „Die Aussenseite des Elementes“. 2001 erschien sein erster Gedichtband „Probebohrung im Himmel“. Es folgten „Guerickes Sperling“ (2004), „Achtzehn Pasteten“ (2007), „Australien“ (2010), „Die Eulenhasser in den Hallenhäusern“ (2012), der Sammelband „Selbstporträt mit Bienenschwarm“ (2016) und zuletzt „Die Live Butterfly Show“ (2018) sowie die Essaybände „Der verschlossene Raum“ (2017) und „Der glückliche Augenblick“ (2021). Für seine Gedichte, die für Auswahlbände, Zeitschriften und Anthologien in vierzig Sprachen übersetzt wurden, erhielt er unter anderem den Preis der Leipziger Buchmesse (2015) und den Georg-Büchner-Preis (2017), die bedeutendste literarische Auszeichnung in Deutschland.
Jan Wagner ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, der Freien Akademie der Künste in Hamburg sowie des PEN-Zentrums Deutschland.

„Jan Wagners Bilder, die immer überraschen und dennoch so selbstverständlich wirken, verweilen nach der Lektüre wie eine tröstliche Nachglut.“
— Aris Fioretos in seiner Laudatio zum Georg-Büchner-Preis 2017

Morlokhof auf Karte anzeigen
Anmeldung
per E-Mail oder telefonisch unter 07441 920 1444.

Donnerstag, 7.9.2023, 16:00 Uhr Literaturspaziergang mit Moritz Heger „Aus der Mitte des Sees“

Nationalparkzentrum Ruhestein
Ruhestein 1

72270 Baiersbronn
Moritz Heger. Foto: Maurice Haas / © Diogenes Verlag
Moritz Heger.
Foto: Maurice Haas / © Diogenes Verlag

„Schon? Erst? Die Kategorien der Zeit greifen nicht recht in diesen Tagen, aber dafür scheint der Raum, ohne an Weite zu verlieren, durchzogen von einem feinen Netz von Verbindungen.“
— Moritz Heger

Moritz Heger, geboren 1971 in Stuttgart, studierte Germanistik, evangelische Theologie und Theaterwissenschaft in Mainz. 2007 erhielt er den MDR-Literaturpreis und den zugehörigen Publikumspreis. Neben dem Schreiben arbeitet er als Lehrer an einem Stuttgarter Gymnasium. „Aus der Mitte des Sees“ (2021) ist nach „In den Schnee“ (2008) sein zweiter Roman.

Eine Benediktinerabtei, idyllisch an einem See gelegen. Ihr Gastflügel ist gut besucht, doch die meisten Mönche nähern sich dem biblischen Alter. Gerade hat einer der jungen Mönche das Kloster verlassen und eine Familie gegründet. Seither stellt auch Lukas, Ende dreißig, seinen Lebensweg infrage. Da taucht Sarah auf, aufmerksam, zugewandt und körperlich. Um zu einer Entscheidung zu finden, überlässt sich Lukas dem See: Beim Schwimmen öffnen sich Körper und Geist.
Ein Buch der Unruhe und der Selbsterforschung, und über die essenziellen Dinge des Lebens: über Liebe, Nähe, Tod, über Schöpfung und Natur. In einer eindrücklichen, präzisen und reichen Sprache.

„Wenn es so etwas wie andächtige Prosa gibt, dann ist Moritz Heger ein Meister dieses Fachs – ein Autor, der die Langsamkeit zelebriert und dessen Tiefsinn sich Seite für Seite erschließt.“
— literaturkritik.de

„Vierzehn Tage, die in sehr dichter Form ein ganzes Leben in vielen Mosaikstücken bespiegeln und die vor allem um einen Ort kreisen: um den zum Kloster gehörenden Vulkansee, in dem Lukas seine Bahnen zieht. ‚Aus der Mitte des Sees‘ ist ein leiser Roman, sehr dicht gestrickt und dennoch voller offener Entwicklungsfäden. Die Wortkunst steckt in jedem Detail. Moritz Heger erweist sich als sensibler, genauer Beobachter.“
— SWR2

Nationalparkzentrum Ruhestein auf Karte anzeigen
Anfahrt
Das Nationalparkzentrum Ruhestein liegt an der Schwarzwaldhochstraße (Bundesstraße 500) und ist mit Bahn und Bus (Bushaltestelle Ruhestein, Nationalparkzentrum) gut zu erreichen.
Treffpunkt
16:00 Uhr Haupteingang Nationalparkzentrum Ruhestein.
Dauer
Der Spaziergang dauert etwa 45 Minuten. Je nach Witterung empfiehlt sich entsprechende Kleidung.
16:45  Beginn der Lesung
Anmeldung
per E-Mail oder telefonisch unter 07441 920 1444.

Freitag, 8.9.2023, 19:30 Uhr Lesung mit José F. A. Oliver „In jeden Fluss mündet ein Meer“

Dorfmuseum
Pfluggasse 5

72250 Freudenstadt-Dietersweiler
José F. A. Oliver. Foto: Yves Noir
José F. A. Oliver.
Foto: Yves Noir

„… und stummpoliert die frage
wohin bleiben wir? …“
— José F. A. Oliver

José F. A. Oliver, geboren 1961 in Hausach, ist Dichter, Essayist und Übersetzer. Seit Oktober 2022 ist der Kurator des Literaturfestivals „Hausacher LeseLenz“ Präsident des PEN-Zentrums Deutschland. Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Basler Lyrikpreis (2015) und dem Heinrich-Böll-Preis (2021). Jüngste Veröffentlichungen: „21 Gedichte aus Istanbul“, „4 Briefe und 10 Fotow:orte“ (2016), „wundgewähr. Gedichte“ (2018) und mit Mikael Vogel„Zum Bleiben, wie zum Wandern – Hölderlin, theurer Freund. Gedichte“ (Berlin 2020).

In seinem dritten Essayband steigt der Lyriker José F. A. Oliver in die Flüsse seiner Sprachen. Er weiß, dass alles fließt, und dass dies immer auch Zuversicht bedeutet. Ausgespannt zwischen mindestens zwei Sprach- oder Sprechkulturen und den filigran skizzierten Visionen ins mögliche Zusammenleben einer sich immer wieder überraschend erneuernden Gesellschaft, fertigt er utopische Skizzen an, die in jedem Satz das Vergangene als Fährten in die Zukunft aufschimmern lassen. Ein Spurenfund, der das Heutige meint und eint und sich in dem, was war, vielstimmig kristallisiert. Worte bergen Orte. Orte lassen Worte mäandern. »W:orte«, wie sie José F. A. Oliver bisweilen bezeichnet. Sie lotet er hoffnungsfroh aus, sodass im mehrkulturellen Klang und seinen Rhythmen Bilder hörbar, Träume und Räume geschöpft werden, Rettungsinseln im Fluss aus Migrationsgeschichten, nomadisch unterwegs zu sich selbst, aber darum nicht weniger denjenigen zugewandt, die sich dieser verdichteten Kurzprosa annehmen.

„Der nomadische Heimatdichter José Oliver weiß genau, wie erfassbar uns die ganze Welt und wie unverständlich uns das benachbarte Tal erscheinen kann. Dies ist das Privileg großer Dichter.“
— Ilija Trojanov

Dorfmuseum Dietersweiler auf Karte anzeigen
Anmeldung
per E-Mail oder telefonisch unter 07441 920 1444.

Samstag, 9.9.2023, 19:30 Uhr Lesung mit Lena Gorelik „Wer wir sind“
Einführung und Moderation von Annette Maria Rieger

Zehntscheuer
Zehntgasse 11

72280 Dornstetten
Lena Gorelik. Foto: Charlotte Troll
Lena Gorelik.
Foto: Charlotte Troll

„Niemand bestimmt, wem die Erinnerung gehört, also zerren wir an ihr. Zerriebene Seile, Furchen an den alten Händen. Aufgedunsene Vergangenheit, die jetzt in den Fingern meiner Mutter steckt.“
— Lena Gorelik

Lena Gorelik ist 1981 in St. Petersburg geboren und kam 1992 mit ihren Eltern nach Deutschland. Mit „Hochzeit in Jerusalem“ (2007) war sie für den Deutschen Buchpreis nominiert, mit „Mehr Schwarz als Lila“ (2017) für den Deutschen Jugendliteraturpreis. Sie schreibt regelmäßig für die Süddeutsche Zeitung und Die Zeit und lebt in München. Zuletzt erschien „Wer wir sind“ (2021).

St. Petersburg/Ludwigsburg 1992. Ein Mädchen reist mit den Eltern, der Großmutter und ihrem Bruder nach Deutschland aus in die Freiheit. Was sie dafür zurücklässt, sind ihre geliebte Hündin Asta, die Märchen-Telefonnummer und fast alles, was sie mit Djeduschka, Opa, verbindet – letztlich ihre Kindheit. Im Westen merkt die Elfjährige, dass sie jetzt eine andere und „die Fremde“ ist. Ein Flüchtlingskind im selbstgeschneiderten Parka, das die Wörter so komisch ausspricht, dass andere lachen. Auch für die Eltern ist es schwer. Im Sehnsuchtswesten wächst ihre russische Nostalgie. Und die stolze Großmutter, die mal einen Betrieb leitete, ist hier einfach eine alte Frau ohne Sprache. Das erst fremde Deutsch kann dem Mädchen helfen – beim Erwachsenwerden, bei der Eroberung jenes erhofften Lebens. Aber die Vorstellungen, was Freiheit ist, was sie erlaubt, unterscheiden sich zwischen Eltern und Tochter immer mehr. Vor allem, als sie selbst eine Familie gründet und Entscheidungen treffen muss.
Ein autobiographischer Roman, der zeigt, dass die Identität gerade im Zwiespalt zwischen Stolz und Scham, Eigensinn und Anpassung, Fremdsein und allem Dazwischen stark wird. „Wer wir sind“ erzählt, wie eine Frau zu sich findet – und wer wir im heutigen Deutschland sind.

Annette Maria Rieger. Foto: Ulrike Klumpp
Annette Maria Rieger, Moderatorin der Veranstaltung
Foto: Ulrike Klumpp

Annette Maria Rieger, 1971 in Tübingen geboren, lebt in Waldachtal. Sie ist Journalistin, Kulturvermittlerin und Autorin. Zuletzt ist von ihr "Der Walder vom Schwarzwald. Erinnerungen an den rebellischen Förster Walter Trefz" erschienen. Annette Maria Rieger hat mehr als ein Jahrzehnt die Autorinnen und Autoren des Tübinger Verlags Klöpfer & Meyer als Pressefrau betreut und ist als solche mittlerweile für den 8 Grad Verlag in Freiburg und den Kröner Verlag in Stuttgart tätig.

„Die Erzählerin und Essayistin Lena Gorelik besticht mit ihrer klaren, differenzierten Haltung zu brisanten gesellschaftspolitischen Themen. Sie gehört zur Generation der in den Neunzigerjahren mit ihrer Familie als russisch-jüdischer Kontingentflüchtling eingewanderten Autor*innen, die einen Kultur- und Sprachwechsel verkraften mussten und sich schreibend mit ihrer doppelten Identität auseinandersetzen.“
— Begründung zum Literaturpreis „Text & Sprache“ (Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI)

Zehntscheuer auf Karte anzeigen
Anmeldung
per E-Mail oder telefonisch unter 07441 920 1444.

Sonntag, 10.9.2023, 11:15 Uhr Matinee-Lesung mit Arno Camenisch „Die Welt“

Zimmerei Schleh
Stöckerwiesen 24

72270 Baiersbronn
Arno Camenisch. Foto: Janosch Abel
Arno Camenisch.
Foto: Janosch Abel

„Du mußt deinem Wesen treu bleiben. Verbiegst du dich, holt dich das ein, das ist ein Bumerang, und wenn es dich einholt, haut es dich um, soviel war sicher.“
— Arno Camenisch

Arno Camenisch, 1978 in Tavanasa im Kanton Graubünden geboren und aufgewachsen, studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel, wo er heute auch lebt. 2009 erschien der Roman „Sez Ner“, 2010 „Hinter dem Bahnhof“, 2012 „Ustrinkata“, 2013 „Fred und Franz“, 2013 „Las flurs dil di“, 2014 „Nächster Halt Verlangen“, 2015 „Die Kur“, 2016 „Die Launen des Tages“, 2018 „Der letzte Schnee“, 2019 „Herr Anselm“, 2020 „Goldene Jahre“, 2021 „Der Schatten über dem Dorf“.
Neben seinen Buchveröffentlichungen publizierte er auch in Harper’s Magazine (New York) und in der Anthologie Best European Fiction 2012 (USA). Seine Texte wurden in über 20 Sprachen übersetzt und seine Lesungen führten ihn quer durch die Welt von Hongkong über Moskau und Buenos Aires bis nach New York. Zahlreiche Auszeichnungen folgten, u. a. der Hölderlin-Förderpreis, der Schweizer Literaturpreis, der ZKB Schillerpreis, und mit seiner „Bündner Trilogie“ wurde er in Holland für den Europäischen Literaturpreis nominiert. Im März 2015 strahlten das Schweizer Fernsehen und 3sat den Dokumentarfilm „Arno Camenisch – Schreiben auf der Kante aus“.

In seinem aktuellen Roman „Die Welt“ (2022) erzählt Arno Camenisch von den Jahren, als er in seinen Zwanzigern war, sein Leben auf den Kopf stellte und über die Kontinente zog, die Sorgen fern waren und das Leben um die Liebe kreiste. Es waren die Nullerjahre, die Welt war im Wandel, die Orte wechselten sich ab und die Tage wurden zu Nächten. Moby und die Rolling Stones lieferten den Soundtrack zu dieser Zeit. Und immer wieder waren da dieses Gefühl der Enge und die Neugier auf die Welt, die am Anfang jedes neuen Aufbruchs standen.

„Es ist immer wieder beeindruckend, in welcher Kürze Camenisch Lebensgeschichten erzählen kann.“
— Gerwig Epkes, SWR

Zimmerei Schleh auf Karte anzeigen
Anmeldung
per E-Mail oder telefonisch unter 07441 920 1444.

Änderungen im Programm sind vorbehalten. Sollte es kurzfristig dazu kommen, werden sie über die Tagespresse bekannt gegeben.